Bewegtes Wissen - Bewegung verstehen, beobachten, vermitteln


Die Laban-Bartenieff-Bewegungsstudien (LBBS) sind eine Bewegungslehre, die von der Vielschichtigkeit menschlicher Bewegungen ausgeht und auf Rudolf von Laban, eine der großen Persönlichkeiten des Ausdruckstanzes in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zurückgeht.

Irmgard Bartenieff, seine Schülerin, hat für die Praxis, von den bewegungsanalytischen Erkenntnissen Labans ausgehend, eine eigenständige Methode zur korrektiven Körperarbeit: die „Bartenieff Fundamentals“ entwickelt.

Die als LBBS bezeichnete Bewegungslehre hat sich als flexibel anwendbares Konzept für diejenigen erwiesen, die nach Vervollkommnung und Ausformung von Bewegung und Haltung im weitesten Sinne suchen. Im Mittelpunkt steht die bewusste Wahrnehmung des eigenen Bewegungsverhaltens. Dies führt zu einer verstärkten Sensibilisierung des eigenen Körpers und bewussten Wahrnehmung der non-verbalen Bewegungssprache eines gegenüber. Darüber hinaus lehren die LBBS, Bewegung objektiv zu beobachten und nach einheitlichen Kriterien zu erfassen und zu beschreiben.

Rudolf von Laban (1879-1958) stammte aus Bratislava und hat nachhaltig die Theater- und Ballettkultur in Europa beeinflusst. Er war Tänzer, Pädagoge, Choreograf und Denker. Ursprünglich interessiert an Malerei und Architektur, begann er schon frühzeitig sich wissenschaftlich mit Bewegung in all ihren Facetten zu befassen.

Er entwickelte eine Bewegungslehre, die „Laban-Notation“, die es ermöglicht, Bewegung detailliert zu analysieren, um das weite Feld der Bewegung in Struktur und Ausdruck zu erfassen. Laban wollte Bewegung in ihrer Gesamtheit verstehen und bezog dabei räumliche, körperbezogene, formale und dynamische Aspekte ein (Raum-Körper-Form-Dynamik).

In der von ihm aufgestellten Raumharmonielehre wird das Verhältnis des Menschen zu dem ihm umgebenen Raum untersucht. Durch „Raumskalen“, vergleichbar mit Tonleitern in der Musik, wird der ganze Umraum einer Person erfahrbar. Die unendliche Vielfalt des menschlichen Bewegungsausdrucks wird in einer eigenständigen „Antriebslehre“ erforscht. Die Dynamik einer Bewegung wird durch seine Qualität bestimmt. Diese Bewegungsqualitäten wiederum bestimmen in unterschiedlichen Nuancen (je nach Charakter, Temperament, Einstellung, Herkunft) unser Bewegungsverhalten. Der Formaspekt einer Bewegung untersucht das Verhältnis der Körperteile zueinander. Der Körperaspekt untersucht die Möglichkeiten des Körpers und seiner Teile für Bewegung.

Durch Labans einzigartige Universalität wurde ein einmaliges Handwerkszeug für Lehrer, Therapeuten und Tanzwissenschaftler sowie für Tänzer, Choreografen, Schauspieler und Musiker geschaffen.

Seine Schülerin Irmgard Bartenieff (1900-1981) war Tänzerin und Physiotherapeutin und emigrierte in den dreißiger Jahren nach New York. Dort entwickelte sie aus den bewegungsanalytischen Theorien von Laban ein therapeutisches Programm. Diese Bartenieff Fundamentals (BF) beruhen auf neurophysiologischen und anatomischen Kenntnissen unter Einbeziehung der Entwicklungsmotorik des Kindes. Hier werden funktionale und expressive Aspekte miteinander verbunden, um Bewegungen zu vervollkommnen bzw. zu korrigieren.

Aus der Bewegungsanalyse, ihren eigenen soziologisch-anthropologischen Forschungen und ihrer täglichen Arbeit mit Menschen entwickelte sie konsequent die Idee eines bewegungstherapeutischen Ansatzes, der in der Tanztherapie fundamentale Bedeutung gewann und sie zu den Mitbegründerinnen der Tanztherapie machte.

Irmgard Bartenieff arbeitete viele Jahre im Dance Notation Bureau in New York und gründete dort 1978 das Laban/Bartenieff Institut of Movement Studies.

Was sind Bartenieff Fundamentals?

Bartenieff Fundamentals –
Effektivität in Bewegung

Die Bartenieff Fundamentals sind ein ganzheitliches, umfassendes Bewegungssystem, das Bewegung als fundamentale Erfahrung unseres Lebens versteht. Bewegung, als ureigenster menschlicher Ausdruck, wird in ihren vielfältigen Erscheinungsformen untersucht und für den einzelnen erfahrbar und beschreibbar gemacht.

Die Physiotherapeutin, Tänzerin und Schülerin von Rudolf Laban, Irmgard Bartenieff entwickelte die Bartenieff Fundamentals auf der Basis ihrer profunden anatomischen und neurophysiologischen Kenntnisse. Dabei verbindet sie funktionale Aspekte und expressive Elemente von Bewegung miteinander (anatomisch-physiologische Bedingtheiten – Bewegungsempfinden –
äußerliche Bewegungsausführung) .

Die sechs Basisübungen (Basic 6) der Bartenieff Fundamentals geben Rückkopplung über das momentane und individuelle Empfinden. Sie bieten eine Methode, aktuelle Blockaden oder Spannungen zu lokalisieren und mit Hilfe der gleichen Übung aufzulösen. Dabei liegt der Fokus auf der gleichwertigen Betrachtung genereller Bewegungsprinzipien: Klärung der Initiation einer Bewegung, Erleben von Stabilität/Mobilität, Rhythmus und Phrasierung, Dreidimensionalität und Raumbewusstsein.

Die ersten drei Basisübungen konzentrieren sich z.B. auf den Unterkörper. Sie erarbeiten den aktiven Einsatz des m. iliopsoas, des Beckenbodens und der Rotatoren für die Fortbewegung und einen gut ausbalancierten Stand. In der 6. Basisübung wird z.B. durch spezifische Rotation des Arms im Schultergelenk das Schulterblatt durch die Aktivierung des m. latissimus dorsi in den Rücken verankert. Die oft überaktive Nackenmuskulatur wird entlastet. Es wird eine umfassende Beweglichkeit im Schultergelenk angestrebt.

Ziel ist es, energetisch effektive und mühelose Möglichkeiten der Bewegung zu finden.

In Partnerarbeit, in einfachen und komplexeren Bewegungsabläufen basierend auf frühkindlichen Bewegungsmustern, die vom Boden zum Stehen und in die Fortbewegung führen,

- klären wir die Wege vom Körperzentrum zur Peripherie u. zurück
- mobilisieren wir die Wirbelsäule durch die Integration von Kopf u. Steißbein
- aktivieren wir die Tiefenmuskulatur (m. iliopsoas), die Unter- und Oberkörper miteinander verbindet
- stabilisieren wir den Körper durch die Koordination der rechten u. linken Körperhälfte
- erarbeiten wir uns die Unterstützung der Rotationsmuskulatur für komplexe, dreidimensionale Bewegungen.

Durch Verändern eingefahrener und womöglich auch „ungesunder“ Bewegungsmuster, wird ein Bewusstsein für ökonomisch verbundene und heilsame Bewegungen geschaffen. Die Bartenieff Fundamentals integrieren diese Bewegungsqualitäten in das alltägliche Bewegungsverhalten.

Buchhinweise:
I. Bartenieff: „Body Movement – Coping with the Environment“, Gordon & Breach Science Publishers
Peggy Hackney: “Making Connections – Becoming Embodied Through Bartenieff Fundamentals”,
Taylor & Francis

Wer näheres über Laban/Bartenieff Bewegungsstudien und die Bartenieff Fundamentals in deutscher Sprache erfahren möchte, kann sich umfassend in einem von B. Rollwagen (Physiotherapeutin und CMA) verfassten Artikel, erschienen in der Zeitschrift „Krankengymnastik, Sonderdruck 46. Jg. (9/1994)“, informieren